Literatur Francis Fukuyama |
1
Francis Fukuyama ‚The End of History and the Last Man‘ ein geschichtsphilosophischer Entwurf............................................................
2
1.1
Der Autor....................................................................................
2
1.2
Einleitung.....................................................................................
3
1.2.1
Einordnung des Buchs.............................................................
3
1.2.2
Titel des Buchs........................................................................
3
1.2.3
Kernaussage des Buchs........................................................
3
1.3
Gedankengang des Buches...........................................................
4
1.3.1
Das Scheitern des politischen Totalitarismus und der Sieg des
Liberalismus.............
4
1.3.1.1
Der empirische Befund am Ausgang des 20.Jahrhunderts............................ ...........
4
1.3.1.2
Fukuyamas universalgeschichtliche Entwicklungstheorie................................
..........
6
1.3.1.2.1
Naturwissenschaftlich/ökonomische Elemente......................................................
6
1.3.1.2.2
Anthropologische Elemente...........................................
8
1.3.2
Mögliche Gefahren für die liberale Demokratie...........................................................................................
9
1.3.2.1
Gefahren durch Nationalismus..........................................
9
1.3.2.2
Gefahren durch fundamentale Ablehnung liberaler Lebensformen...........................
10
1.4
Beurteilung des Buchs........................................................................................................................................
11
1.5
Literaturliste.............................................................................................................
12
Francis Fukuyama wurde am 27.Oktober 1952 in Chicago geboren. Er wuchs in New York City
auf. Er studierte Altertumswissenschaft an der Cornell Universität und in
Harvard Politikwissenschaft. Zur Zeit ist er Professor für Politikwissenschaft
an der George Mason University, ferner arbeitet(e) er noch für andere
politikwissenschaftliche Institute und Zeitschriften (z.b.: RAND Corporation,
The National Interest). Praktische politische Erfahrung sammelte er als
stellvertretender Direktor im Planungsamt des US-Außenministeriums (u.a. in Ägyptisch-Israelischen
Verhandlungen 1982). Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Seine Forschungs/Veröfentlichungsschwerpunkte
waren/sind:
·
Die Außenpolitik
der Sowjetunion in der 3.Welt
·
Demokratisierung
und internationale politische Ökonomie
·
Soziale
Auswirkungen der Informationstechnologie
·
Politische
Konsequenzen der Biotechnologie.
Besonderes Aufsehen erregte er 1989 mit seinem Artikel ‚The End of History?‘ in der Zeitschrift ‚The National Interest‘. Dieser Artikel ist Grundlage und Ursprung des vorliegenden Buches.
Das Buch ist ein geschichtsphilosophischer Entwurf. Es versteht menschliche
Geschichte als zielgerichteten universalgeschichtlichen Prozeß, der vom
menschlichen Verstand erkannt und damit auch beschrieben werden kann. Er ist
somit den geschichtsphilosophischen Schriften des Mittelalters und der Neuzeit
(insbesondere Hegel und Marx im 19.Jahrhundert, aber auch Spengler in diesem
Jahrhundert) an die Seite zu stellen. Mit Hegel
und Marx verbindet ihn folgende Überzeugungen:
1.das Ende dieses Prozesses ist gekommen oder steht
zumindest kurz bevor.
2.die zielgerichtete Entwicklung ist eine Höherentwicklung
zu qualitativ besseren Zuständen, das Paradies wird
also schon für diese Seite des Grabes versprochen.[1]
Der Titel des Buchs wurde gegenüber dem Titel des Artikels in ‚The National Interest‘ erweitert. Es heißt nun nicht mehr ‚The End of History?‘ sondern ‚The End of History and the Last Man‘. Damit wird einerseits die These vom Ende der Geschichte zur – vorläufigen - Gewißheit erhoben, andererseits wird den für das Buch wichtigen Gedankengängen Nietzsches durch die Erwähnung des ‚Letzten Menschen‘ auch im Titel Ausdruck verliehen.
Fukuyama versteht Geschichte als einen einzigen, in
sich schlüssigen evolutionären Prozeß, der am Ende des 20.Jahrhunderts zu
Ende gekommen ist. Eine Entwicklung über den liberalen demokratischen Staat
hinaus ist nicht denkbar. Die Gründe hierfür sind:
a ) Die moderne Naturwissenschaft und Ökonomie.
b) Der Kampf um Anerkennung (Emanzipation)[2]
Im folgenden wird versucht die Argumentation des Autors in groben Zügen wiederzugeben. Auf eine eingehende Beschäftigung mit den von Fukuyama vetretenen Thesen, insbesondere seinem Verhältnis zu den aufgeführten Philosophiesträngen wird verzichtet.[3]
Die Grausamkeiten dieses Jahrhunderts haben nach
Meinung Fukuyamas viele Autoren fälschlicherweise dazu verführt, die
menschliche Entwicklung pessimistisch zu beurteilen. Doch
gibt es für ihn seit 1989 gute Nachrichten, da die
totalitären Systeme des 20.Jahrhunderts
zusammengebrochen sind. War der Faschismus nach seiner Niederlage 1945 keine
politische Alternative mehr[4]
so gilt dies seit 1989 auch für die den kommunistischen Totalitarismus.[5]
Dies ist der empirische Befund der weltpolitischen Veränderungen. Für
das Scheitern der faschistischen und kommunistischen Modelle gibt er folgende
Begründung:
a)
Faschismus:
Der Faschismus, der viele Bewunderer in der Welt hatte, scheiterte, da sein inhärenter Militarismus und sein Suprematiestreben über andere Rassen ihn automatisch in Konflikt mit dem ganzen internationalen System führte, also in einen Weltkrieg, den er verlor. Danach war es mit seiner Anziehungskraft vorbei. Rechtsgerichtete Diktaturen, die es dann selbstverständlich auch noch gab, waren nur noch autoritäre Staaten, die Teile der Gesellschaft in die Freiheit entließen, wodurch ihre Existenz immer mehr gefährdet wurde(z.b. Franco-Spanien, lateinamerikanische Diktaturen).
b)
Kommunismus:
Der Kommunismus scheiterte aus ökonomischen und
ideologischen Gründen. Zum einen konnte der Lebensstandard der Bevölkerung
nicht – wie versprochen – dem Niveau der westlichen, kapitalistischen Länder
angeglichen werden. Wichtiger noch war, daß immer mehr Menschen in der
Sowjetunion die verbreiteten Lügen nicht mehr akzeptierten. Als diese
Legitimationskrise die Führungsspitze ergriff, und diese von sich aus die
ideologische Öffnung (Perestroika und Glasnost)vorantrieb, begann ein Prozess,
der das gesamte System untergrub und umwälzte.
Nicht nur in der Sowjetunion sondern auch in China brach das totalitäre
System zusammen, da es einen starken privaten Sektor erlaubte.[6]
Die von der Sowjetunion beherrschten Länder, die zu keiner Zeit den linken
Totalitarismus innerlich angenommen hatten, nutzten die Gunst der Stunde um sich
aus der sowjetischen Umklammerung zu lösen, wobei Fukuyama sehr viel Sympathie
für Länder und Menschen zeigt, die mutig für ihre Ideale einstehen(z.b.
Litauen). Das die Etablierung eines demokratischen Systems je nach Land enorme
Schwierigkeiten bereitet steht für ihn dabei auf einem anderen Blatt. Entscheidend ist
jedoch für den Autor, daß der totalitäre Kommunismus keine Alternative mehr
darstellt und welthistorisch ausgedient hat.
Nach dem Scheitern der totalitären Systeme (nicht
universeller Faschismus und universeller
Kommunismus) bleibt als einzige Ideologie von potentiell globaler Gültigkeit
nur die liberale Demokratie übrig.
Liberalismus und Demokratie werden wie folgt definiert:
a)
Liberalismus
Rechtsstaatlichkeit, die bestimmte Abwehrrechte des Individuums gegenüber der Staatsmacht definiert (z.b. Bill of Rights), dazu freie ökonomische Entfaltung basierend auf privatem Eigentum und freien Märkten.
b)
Demokratie
Recht
aller Staatsbürger an Wahlen teilzunehmen und politische Verantwortung auszuüben.[7]
Fukuyamas
Hauptthese ist nun, daß diese Entwicklung nicht zufällig ist oder einen
augenblicklicher Trend darstellt. Nachdem die totalitären Systeme
zusammengebrochen sind, werden nach und nach auch die autoritären Systeme
verschwinden genauso wie auch die Aristokratien und Monarchien im Laufe der
Geschichte mehr und mehr verschwunden sind. Dabei betont Fukuyama, daß Geschichte
ein universalhistorischer teleologischer Prozeß ist, in dem es vernünftig
zugeht.
„History was not a blind concatenation of events, but a meaningful
whole in which human ideas concerning the nature of a just political and social
order developed and played themselves out. And if we are now at a point where we
cannot imagine a world substantially different from our own, in which there is
no apparent or obvious way in which the future will represent a fundamental
improvement over our current order, then we must also take into consideration
the possibility that History itself might be at an end.“[8]
Bestätigt sieht er sich in seinen Anschauung durch die Philosophie des deutschen Idealismus. Dieser habe durch Kant die Frage nach einer Universalgeschichte zu erst in vollem Umfang aufgeworfen, und zwar durch die Forderung die fundamentalen Gesetze der menschlichen Entwicklung aufzeigen.. Hegel habe diese Frage gelöst, da er die Mechanismen aufgezeigt habe, wie Entwicklung in der Geschichte möglich sei.: Historische Entwicklung geschieht demnach so lange, als die einzelnen historischen Phänomene (Staaten, Staatensysteme usw.) grundsätzliche Widersprüche in sich aufweisen. Wenn es keine fundamentalen Widersprüche mehr gibt, wenn alle Menschen frei sind, dann ist das Ende der Geschichte erreicht.
Den geschichtsphilosophischen Überlegungen stellt er im folgenden eine Entwicklungstheorie zu Seite, mit dem Ziel seine Hautthese(universale, zwangsläufige Entwicklung hin zu liberalen Demokratie) zu untermauern. Seine Argumentation verläuft in folgenden Schritten:
· Er beginnt mit der Entwicklung der Naturwissenschaften, den er als zielgerichteten Prozeß von ständig wachsendem Wissen ansieht. Dieses Wissen wirkt sich erstens in der militärischen Konkurrenz aus. Staaten können nur bestehen, wenn sie sich militärisch behaupten, das heißt aber, daß sie in der Lage sind, Naturwissenschaften zu betreiben, und gleichzeitig die Gesellschaft in Richtung Effizienz und Rationalität gestalten.[9]
·
Zweitens
bedingt die
naturwissenschaftliche Entwicklung eine spezifische
ökonomische Entwicklung. Die
Industrialisierung brachte nicht nur neue Maschinen, sondern vor allem auch neue
Formen der Arbeitsorganisation, der Stadtplanung usw. hervor. Die gesamte
Lebenswelt wird durch die Industrialisierung verändert, alte Lebensformen
sterben dabei ab. Auch die Sitten und Gebräuche ändern sich. Kommunistische
Versuche die Arbeitsteilung aufzuheben, oder den Unterschied zwischen Stadt und
Land einzuebnen endeten jeweils in Katastrophen mit Millionen von Toten (Mao,
Pol Pot), aber davon abgesehen geht einmal erworbenes Wissen nicht verloren.
Einen generellen Rückfall in vorindustrialisierte Zustände würde auch ein
Atomkrieg nicht mit sich bringen. Der Autor behauptet also, daß die moderne
Naturwissenschaft ihr Wissen erweitert und bestimmte eindeutige soziale Veränderungen
über alle Nationen und Kulturen hervorruft.
·
Drittens
leben die heutigen Gesellschaften von Innovation. Innovationen gedeihen am besten in ökonomische freien
Gesellschaften. Während für die erste Phase der Industrialisierung auch ökonomisch
autoritäre oder totalitäre Systeme als Ordnungsrahmen dienen konnten, gilt
dies nicht mehr für die heutigen Informationsgesellschaften. Zentrale Planung
und ein fehlendes Markt-Preissystem haben diese Gesellschaften immer weiter zurückgeworfen.
Zudem unterminieren sie die Arbeitsethik einer Gesellschaft, da sie individuelle
Belohnung allenfalls selektiv in bestimmten Sparten der Industrie (z.b. Militärsektor)
einsetzen. Dieses Modell gilt auch für die unterentwickleten Länder.[10]Damit
hat er seiner Ansicht nach gezeigt, daß der wissenschaftliche Fortschritt
bestimmte liberale ökonomische Prinzipien impliziert.
Dagegen ist die Frage ob technischer Fortschritt, liberale Ökonomie
auch gleichzeitig liberale Demokratie nach sich zieht nicht so leicht zu
beantworten. Auf
den ersten Blick mag die mit den
Modernisierung einhergehende Herausbildung einer Mittelstandsgesellschaft genügen,
da die gebildete Mittelstandsgesellschaft eine gleichmäßige Verteilung der
politischen Rechte einfordert. Auch scheint die Demokratie eine ausgezeichnete
Methode zu sein, um Konflikte in entwickelten Gesellschaften zu lösen.
Andererseits aber gibt es eine Reihe von Konflikten, die die Demokratie gerade
nicht gut lösen kann:
·
Nationale
Differenzen
·
Religiöse
Differenzen
·
Ethnische
Differenzen
·
Einflußnahme
der Bevölkerung auf die Wirtschaft
Zudem
spricht die Erfahrung eher dafür, daß die Verbindung von liberaler
Wirtschaftsordnung und autoritärem Staat die beste Lösung darstellt. Dies
bedeutet aber für den Autor, daß ein nachweisbare Verbindung zwischen
naturwissenschaftlich-ökonomischer Entwicklung und liberaler Demokratie nicht
existiert. Liberale Demokratie wird
vielmehr aus nichtökonmischen Gründen gewählt. Am wichtigsten ist dabei
der Kampf um Anerkennung.
Der Autor ist der Überzeugung, daß die liberale Demokratie zwangsläufig am
Ende der Geschichte auftritt, mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und
damit verbunden der liberalen Ökonomie hat dies aber ursächlich nichts zu tun.[11]
Die
bewegende Kraft der Geschichte ist der Wunsch jedes Menschen nach Anerkennung.
Neben dem Wunsch, seine natürlichen Bedürfnisse wie Hunger und Durst zu
befriedigen, hat er auch den Wunsch als Mensch in seinem Wert
von anderen Menschen anerkannt zu werden. Menschen können die Todesangst
besiegen und sich für nicht-materielle Ziele aufopfern, sie sind also frei
moralische Entscheidungen zu fällen und möchten in ihrer Freiheit auch
anerkannt werden. Dieses Streben bestimmt die Geschichte.[12]
Systeme, die diese Würde verletzen, werden mit der Zeit verschwinden. So konnte
der Sozialismus zwar den Menschen eine gewisse Lebenssicherheit bieten, doch
zwang er sie permanent Dinge zu tun, die ihr Selbstverständnis als freie
Menschen verletzten (Eine als falsch eingesehene Ideologie dennoch zu preisen).[13].
Natürlich
muß den Menschen diese Zurücksetzung auch bewußt werden muß. Dies geschieht
vor allem dann , wenn Gesellschaften beginnen, sich ökonomisch zu verändern,
da die neuen ökonomischen Perspektiven auch den Blick für nichtökonomische Möglichkeiten
erst wirklich eröffnen. Zusätzlich werden mutige Menschen benötigt, die
bereit sind, für ihre Ziele ihr Leben zu riskieren. Würde man immer nur seinen
natürlichen Wünschen folgen, würde eine Kosten-Nutzen Analyse in der Regel
die Sinnlosigkeit eines Aufstands gegen als ungerecht empfundene Verhältnisse
ergeben.[14] Der Wunsch nach
Anerkennung für alle Menschen findet seine letztendliche Lösung im
universellen und homogenen Staat, der als Rechtsstaat auf ökonomisch/technischem
Fortschritt und rechtlicher Anerkennung aller Personen als rechtlich gleicher
beruht. Die Wahl der liberalen Demokratie ist frei, und wird durch das Bedürfnis
nach Anerkennung vorangetrieben , die ökonomische Entwicklung unterstützt aber
diesen Prozeß. Dies geschieht auf folgenden Wegen:
·
der
einstige Knecht begreift sich durch seine Arbeit als Herr (über die Natur). Mit
wachsender Bildung durchschaut er immer mehr seine reale Lag(z.b. Bürger gegen
Adel).
·
die ökonomische
Entwicklung hat ihrerseits eine gleichmacherischer Tendenz, da sie eine
allgemeine Bildung voraussetzt und allen Gruppen mehr Möglichkeiten bieten muß,
Die soziale Durchlässigkeit wird größer.
Damit
ist für den Autor die Verbindung von Demokratie und Ökonomie über die Brücke
‚Wunsch nach Anerkennung‘ hergestellt.
Nach Aufstellung und Begründung seiner Hauptthese setzt sich er Autor mit möglichen Widerständen gegen eine Demokratisierung auseinander. Der Grund für den noch nicht vollständigen Sieg der liberalen Demokratie sieht er in dem Verhältnis von Volk und Staat. Nach Nietzsche hat jedes Volk sein eigenes Wertbewußtsein (Sprache von Gut und Böse). Das Resultat dieses Volksgeistes ist eine spezifische Kultur, ein bestimmtes nationales, ethnisches und rassisches Bewußtsein. Einerseits ist eine gewisse Homogenität notwendig, um eine liberale Demokratie zu schaffen. Andrerseits besteht natürlich die Gefahr, daß ein Volk seine Eigenart als absoluten Wert setzt und so einen Staat schafft, der gerade nicht die allgemeine, libertäre Demokratie schaffen will sondern die Suprematie über andere Völker anstrebt. Es will also nicht von andern als gleich anerkannt werden, sondern als überlegen! Es findet seine Würde darin, daß es als Herrenvolk über andere herrscht, allgemeine Demokratie als Verkleinerung seiner Selbst empfinden würde.[15] Der Autor schätzt aber diese Gefahr als gering ein, da der Nationalismus für ihn keine anthropologische Konstante ist. Nationalismus wird genauso verschwinden oder tolerant werden, wie dies auch mit den Religionen geschehen ist. Als typisches Beispiel dient ihm die EU[16], in der die Nationen nicht verschwunden sind, die aber als Element nationaler Übersteigerung eigentlich nur noch den Fußball kennt.
Machtpolitik herkömmlichen Stils wird es nur noch zwischen Staaten geben, die keine liberalen Demokratien sind. Liberale Demokratien sollten sich in NATO-ähnlichen Verbindungen zusammenschließen, um ihre liberalen Interessen gegen die Länder zu schützen, die diese Charakteristika nicht aufweisen. Die UNO sieht er demgegenüber als ein negatives Beispiel an.[17]
Nach
Fukuyama ist das sozialistische Modell keine ernste Bedrohung zukünftiger
liberaler Gersellschaften mehr, obwohl es auch dort noch soziale Ungleichheit
geben wird. Die wird aber immer geringer werden, da moderne liberale
Gesellschaften sich durch ein
enormes Maß an Gleichheit auszeichnen und dies weiter fördern werden. Dies
kommt z.b. in einer Inflation von Rechten zum Ausdruck. Rechte erstrecken sich
zunehmend nicht nur auf die zentralen Probleme des Zusammenlebens, sondern es
gibt oder wird gefordert:
·
Recht auf
Arbeit
·
Recht auf
Reisen
·
Recht auf
Abtreibung
·
Recht auf
Kinder
·
Recht auf
Kindheit usw.
Auf
diese Angleichung aller Lebensformen erfolgt nun für Fukuyama der gefährlichste
Angriff von der politischen Rechten.. Die Quintessenz dieses Angriffs lautet:
Keine gleichen Rechte für Ungleiche. Oder anders formuliert: Das Leben verliert
jeden Wert, wenn die ehemaligen Sklaven die Kultur eines Landes bestimmen, da
alle Kultur, die alleine das Leben rechtfertigen kann, aus aristokratischem
Geist entspringt.[18] Der ‚Letzte Mensch‘[19]
(Nietzsche) ist der siegreiche Sklave, der seine persönlichen Bedürfnisse zur
Norm erhebt. Allen wirklich wichtigen Fragen wird ausgewichen, da die
Unterscheidung von gut und böse, besser und schlechter das demokratische
Toleranzprinzip verletzen. Deshalb diskutieren wir hauptsächlich über unsere
Ernährung, unser Aussehen usw., aber nicht über die Auslegung von
Bibeltexten und andere ernste Fragen usw...[20]
Das
Dilemma der liberalen Demokratie läßt sich demnach wie folgt beschreiben: Alle
Beziehungen sind rechtlich geregelt, der Krieg ist abgeschafft, aber immer wird
es Menschen geben, die bereit sind, für höhere Ziele ihr Leben zu riskieren,
selbst wenn sie sich der historischen Relativität ihrer Überzeugung bewußt
sind.[21]
Er sieht die Gefahr, daß die postindustrielle Gesellschaft, wie Europa 1914,
aus reiner Langeweile sich in einen zerstörerischen Krieg stürzt und der ästhetisierte
Krieg als Revolte gegen Materialisimus und Kommerz gewünscht wird. Als Ausweg
aus diesem Dilemma sieht Fukuyama innerhalb der liberalen Demokratien:
·
Unternehmertum
·
Außenpolitische
Betätigung
·
Extremsportarten
·
Formale
Handlungen (z.b. Blumenbinden, Tee-Zeremonien)
Er hofft
zudem, daß die historische Erfahrung die Menschen von kriegerischen Abenteuern
zukünftig abhält und sie statt dessen die liberalen demokratischen Werte
vorziehen werden, und an diese eine gefühlsmäßige Bindung entwickeln.
Es lohnt sich das Buch zu lesen. Es ist gut geschrieben und der Autor besitzt eine bemerkenswerte Gabe, heutige gesellschaftliche Entwicklungen aufzuspüren und zu beschreiben. Die vielfältigen Abstufungen und Zwischentöne moderner liberaler Demokratien werden vorbildlich herausgearbeitet. Es regt zum eigenen Denken und Widerspruch an.
Andererseits ist der Titel geradezu hochstaplerisch
(Marketingaspekte?) gewählt. Es hätte völlig ausgereicht, das Buch ‚Über
die Anziehungskraft der modernen liberalen Demokratie‘ zu nennen. Stattdessen
versucht er etwas, was niemand leisten kann: eine Wiedererweckung teleologischer
Geschichtsschreibung. Er selber hat in einem späteren Interview gesagt, daß
nur ein Kritiker den wunden Punkt seiner Argumentation gefunden hätte, nämlich
die Unvorhersehbarkeit des wissenschaftlichen Fortschritts und der damit
verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Nun,
das Problem hat Popper bereits schon 1956 beschrieben.
[22]
Auch auf Jacob Burckhardt sei hier verwiesen.[23]
Fraglich ist auch, ob er zur Stützung seiner
Hauptthese wirklich den ganzen philosophischen Apparat in Bewegung setzen mußte,
zumal das meiste nur aus zweiter.Hand (Hegel durch Kojeve vermittelt) stammt
oder aus fehlerhaften Ausgaben (z.b. ‚Nietzsches‘ Buch ‚Wille zur Macht‘
, das er als Quelle aufführt) abgeschrieben wurde.
Fukuyama,
Francis The
End Of History And The Last Man
London 1992
Popper,
Karl
Das Elend des Historizismus
Tübingen 1979
Burckhardt,
Jacob Weltgeschichtliche
Betrachtungen
Stuttgart 1969
philosophische
Literatur zum Buch (deutsche Ausgaben zum Nachlesen)
Hegel,
G.W.F.
Phänomenologie des Geistes
Hamburg 1988
Hegel,
G.W.F.
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Stuttgart 1980
Nietzsche,
Fr.
Sämtliche Werke, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden
München 1980
[1] Im Gegensatz zur Geschichtsphilosophie sei die Position der Geschichtswissenschaft verdeutlicht. Die Geschichtswissenschaft versucht zu klären ‚wie es eigentlich gewesen ist‘, d.h. für bestimmbare geographische, zeitliche, politische Abschnitte der menschlichen Entwicklung wird versucht, die Chronologie der Ereignisse(politische, religiöse, wirtschaftliche, militärische) festzulegen sowie die Ursachen dieser Ereignisse zu beschreiben (z.b. biographische, strukturelle, klimatische usw.). Dabei wird strikt von den Quellen (Akten, Überresten usw.) ausgegangen. Durch die Quellenkritik (Echtheit, Relevanz usw.) wird die inhaltliche Gewichtung der Einzelquelle vorgenommen. Mit Hilfe der Quellenforschung und deren Veröffentlichung wird die wissenschaftliche Diskussion über Einzelthemen ermöglicht. Erst dann erfolgt, wenn überhaupt, die inhaltliche Bewertung eines Ereignisses. Prinzipiell bleibt dabei jede Epoche ‚unmittelbar zu Gott‘, d.h. jedes geschichtliche Ereignis muß aus sich selbst verstanden und geschildert werden. Die wichtige Frage der Themenauswahl erfolgt im Rahmen des jeweiligen Erkenntnisinteresses oder des Erkenntnishorizonts des Forschers. Im Sinne der Hermeneutik wird dann die jeweilige Sachfrage oder der Sachfragenkomplex mit den wissenschaftlichen Methoden unter Zuhilfenahme der historischen Hilfswissenschaften bearbeitet.
[2] Fukuyama, Fr.: The End of History and the Last Man, London 1992
S. xii-xiii
[3] Diese Aufgabe kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Allein die Aufarbeitung der verschiedenen Hegelinterpretationen(Fukuyama stützt sich auf die Interpretation von Alexandre Kojeve) und deren kritischer Vergleich und Gewichtung wäre eine eigene Forschungsarbeit.
[4] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.17
[5] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.25
[6] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.33
[7] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.42-43
[8] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.51
[9] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.73
[10] Fukuyama, Fr: a.a.O. S.98-108
[11] Fukuyama, Fr.:a.a.O. S. 134
[12] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.161
[13] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.166-167
[14] Fukuyama liefert also eine nicht-materialistische Revolutionstheorie.
[15] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.220
[16] Fukuyama, FR.: a.a.O. S.270
[17] Fukuyama, FR. a.a.O. S.282
[18] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.305
[19] vgl. die grandiose Stelle bei Nietzsche, Fr.: Also sprach Zarathustra, München 1980
S.19-20
[20] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.306
[21] Fukuyama, Fr.: a.a.O. S.314
[22] Popper, K.: Das Elend des Historizismus, Tübingen 1929
S.xi-xii
[23] Burckhardt, J.: Weltgeschichtliche Betrachtungen, Stuttgart 1969
S.4-6
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