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Rezension

Farben der DHG Westmark

Der Nationale Sozialismus. Ideologie und Bewegung 1890 - 1933.
Karlheinz Weißmann

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Preis: DM 49,90
(EUR 25,51)

Gebundene Ausgabe - 368 Seiten (1998)
Herbig, Mchn.; ISBN: 3776620560

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roland.richter@myokay.net aus 65185 Wiesbaden , 20. Januar 1999

Knappe Darstellung des Inhalts mit Bewertung
Der in Bovenden bei Göttingen lebende Historiker Karlheinz Weißmann hat nach seinem Buch über die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland eine weitere Arbeit vorgelegt, die sich mit dem Thema auseinandersetzt.

„Der Nationale Sozialismus“ trägt als Untertitel „Ideologie und Bewegung 1890 – 1933“. Es handelt sich hierbei um eine ideengeschichtliche Darstellung, welche die Herkunft jener Ideologie untersucht. Dieses Buch versteht sich als Vorläufer des ursprünglich im 1995 als Band 9 der „Propyläen Geschichte Deutschlands“ erschienenen Bandes „Der Weg in den Abgrund“, welches alsbald vom Verlag zurückgezogen und mittlerweile beim Herbig-Verlag wieder erschienen ist.

Grob untergliedert das Buch sich in zwei Hälften. Zunächst wird die geistesgeschichtliche Situation dargestellt, in der Nationalismus und Sozialismus in Europa die politische Symbiose eingehen konnten. In dem zweiten Teil des Buches wird dann deutschlandspezifisch an der Entwicklung der NSDAP und der Person Adolf Hitlers dessen Weg zur Macht dargestellt.

Anfangs wird die geistesgeschichtliche Situation am Ausgang des vom Liberalismus geprägten 19. Jahrhunderts dargestellt. Gruppierungen, die sich von den neuen Strömungen des Sozialismus und Nationalismus gleichermaßen angezogen fühlten, fanden sich vor allem in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Industrialisierung und die Auffassung der Nation als relativ homogenes, seine Mitglieder auch wirtschaftlich sicherndes Ganzes führte zur Idee eines „nationalen Sozialismus“, welche in allen Schichten des politischen Lebens Anhänger fand. Auch auf die Rolle des Antisemitismus, die schon in diesem Zusammenhang zu behandeln ist, geht Weißmann ein.

Vor dem ersten Weltkrieg, als die Klassengesellschaft alle Länder Europas prägte, konnten sich derartige Ideen jedoch nirgendwo durchsetzen. Erst nach dem ersten Weltkrieg, als die bürgerliche Klassengesellschaft in den Schützengräben ihr Ende gefunden hatte, konnte sich die Massengesellschaft durchsetzen, die unabdingbare Wirkungsvoraussetzung national-sozialistischer Ideen war.

Die liberale Demokratie des Westens und der russische Bolschewismus ließen nun den Ruf eines „dritten Weges zwischen Kommunismus und Kapitalismus“ laut werden, für die Anhänger eines nationales Sozialismus nunmehr eintraten. In ihren Augen hatte der Krieg den Zusammenhang von nationaler und sozialer Ordnung bestätigt, und der Zerfall der Internationale und der Kriegssozialismus waren den Erwartungen vieler National-Sozialisten entgegengekommen.

Der erste Teil des Buches schließt dann mit einer Erläuterung der Bedingungen, unter denen der Faschismus in Italien entstand und erfolgreich werden konnte, so daß Mussolini am 31. Oktober 1922 Chef einer Koalitionsregierung werden und sich so schließlich ein faschistisches System in Italien etablieren konnte.

Der zweite Teil der Darstellung konzentriert sich auf die Entwicklung in Deutschland, wobei der Blick auf die Person Adolf Hitlers und die NSDAP fokussiert wird.

Zunächst wird eine Übersicht über die Biographie Hitlers bis zu seinem Eintritt in die NSDAP gegeben, anschließend wird seine politische Haltung dargestellt, soweit sie sich schon entwickelt hatte. Bis zum gescheiterten Putsch 1923 trat er offen für einen offenen revolutionären Umsturz der politischen Verhältnisse ein. Nach Scheitern des Putsches wurde Hitler zur Festungshaft verurteilt, in der er nach Weißmanns Auffassung erstmalig sein politisches Weltbild durch ein systematisches Studium verfestigte. In dieser Zeit verfaßte er auch den ersten Teil von „Mein Kampf“, welches zwar weite Verbreitung fand, aber offensichtlich nur wenig gelesen wurde. In diesem Buch war Hitlers revolutionäres Programm ausgearbeitet publiziert. Nach der Machtergreifung soll Hitler geäußert haben, daß er dieses Buch wohl nicht geschrieben hätte, wenn er damals geahnt hätte wirklich an die Macht kommen zu können. Nicht wegen seines Inhalts, sonders aufgrund der möglicherweise die Massen abschreckenden Programms, welches er darin entwickelt hatte.

Weißmanns Buch behandelt nun die zweite Gründung der NSDAP und ihren politischen Durchbruch Anfang der 30er Jahre, die Aversion Hindenburgs gegen den „böhmischen Gefreiten“ sowie die innerparteiliche Entwicklung. Insbesondere Aufstieg und Fall Strassers findet Beachtung.

Ausführlich wird das Verhältnis zur KPD dargestellt, welches keineswegs nur von Feindschaft, sondern auch von partieller Zusammenarbeit, etwa beim BVG-Streik 1932, geprägt war.

Schließlich endet die Darstellung Weißmanns mit der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933.

Im Anhang finden sich ein Abkürzungsverzeichnis, eine ausführliche Bibliographie und ein Personenregister. Vermißt wird ein Sachregister.

Weißmanns Buch ist geht sehr ins Detail, bleibt bei allem jedoch stets gut lesbar. Es kann allen am Thema Interessierten nur empfohlen werden, da es sich durch eine durchgehend sachliche Darstellungsweise auszeichnet. Weißmann versucht nicht, längst entschiedene ideologische Schlachten neu zu schlagen.

Das Buch hat bei Erscheinen eine Diskussion neu belebt, ob der Nationalsozialismus politisch „rechts“ zu verorten sei. Es gibt Gründe dafür (Ablehnung des allgemein als „links“ verorteten Bolschewismus, Überbetonung des „nationalen“ und Ablehnung jeden „Internationalismus“, Schaffung eines Volkssozialismus) wie auch dagegen (politische Herkunft aus dem vieler Nationalsozialisten sozialistischen Lager, Selbstverständnis als revolutionäre Arbeiterpartei, Ablehnung bürgerlicher Kräfte als „reaktionär“, Ablehnung der Wiederherstellung der Monarchie). Weißmann entscheidet diese Frage letztendlich nicht. Meines Erachtens ist diese Fragestellung zudem auch falsch, da der Nationalsozialismus seine Wurzeln sowohl „rechts“ als auch „links“ hat, sich aber jenseits dieser Verortungen sieht.

Rezensent: F. Roland A. Richter


 


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